Abgeordnetenwatch: Rollstuhlfahrer zu sieben Jahren Haft wegen Marihuanabesitzes verurteilt

Einem Rollstuhlfahrer, der sich selbst Medikamentierte mit Marihuana, wurde der Prozess gemacht. Vor kurzem wurden seine Strafen noch ausgesetzt, da er „haftunfähig“ war. Nun soll sich das geändert haben, und diese Person soll nun ins Gefängnis. Warum muss eine schwerstkranke Person in den Knast für ein bischen Gras?

Diese Frage stelle ich seinem Wahlkreis-Abgeordneten.

Update

Heute, am 1.3.2011 interessieren sich schon 28 weitere Personen für eine Antwort von dem Abgeordneten Bleser. Am 7.3. sind es schon 65 weitere interessierte Personen.

Update Zwei

Am 18.3.2011 gab es eine Antwort. Ihr findet diese auf Abgeordnetenwatch oder hier weiter unten im Artikel:

Hier der Text meiner Anfrage

Werter Herr Bleser,

wie ich dem Wochenspiegel (siehe www.wochenspiegellive.de ) entnehmen konnte, wurde in Ihrem Wahlkreis ein Rollstuhlfahrer, der vom Hals abwärts gelähmt ist, wegen der Selbstversorgung mit Marihuana als Medizin zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Ansonsten ist dies ein unauffälliges Mitglied unserer Gemeinschaft.

Marihuana als Medizin ist ein in Deutschland zugelassene Fertigarznei, die einer gesonderten Erlaubnis benötigt. In den USA wird Marihuana als Medizin bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern verschrieben, darunter auch Schmerzen. Unlängst haben Forscher der kanadischen Universität Alberta (siehe www.heilpraxisnet.de ) Cannabis bei Krebs und damit verbundenen Leiden empfohlen.

Bis vor kurzem wurde der Patient noch als „haftunfähig“ geführt, was hat sich daran geändert?

Ich kann dieses Urteil Aufgrund des Marihuanabesitzes nicht nachvollziehen, warum muss diese kranke Person leiden, und das auch noch in Haft?

Die Antwort

Sehr geehrter Herr,

ich danke Ihnen herzlich für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch, die ich gerne beantworte und entschuldige mich für die späte Antwort.

Ich halte es für richtig und wichtig, dass der Konsum von Cannabis nur in begründeten medizinischen Ausnahmefällen, oder für wissenschaftliche Zwecke legal verwendet werden darf. Es ist das Ziel der Bundesregierung, den Missbrauch von diesem gesundheitsgefährdenden Suchtmittel auf keinen Fall zu legalisieren.

Da der beschuldigte Rollstuhlfahrer keine ärztliche Genehmigung für den Cannabiskonsum hatte, ist die Verurteilung zu der siebenjährigen Haftstrafe als strafrechtliche Konsequenz auch richtig und gerechtfertigt. Die Haftunfähigkeit des Straftäters beruhte auf seiner Behinderung, genauer gesagt auf der Tatsache, dass der Beschuldigte einen behindertengerechten Haftplatz benötigte. Im Mai 2010 wurde ein geeigneter Haftplatz gefunden und in dieser Zeit musste er seine Haftstrafe antreten. Nach eigener Aussage des Verurteilten konsumiert dieser seit längerer Zeit kein Cannabis mehr, und soweit mir bekannt ist, hat sich sein Zustand nicht verschlechtert.

Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit klar stellen, dass Schmerzen, soweit diese mit nicht-cannabisextrakthaltigen Schmerzmitteln behandelt werden können, definitiv nicht den Konsum von Cannabis rechtfertigen.

Bei Interesse können Sie sich gerne die weiteren Erläuterungen zu Cannabis-Medikamenten durchlesen.

Da in Europa (Großbritannien und Spanien) ein Fertigarzneimittel mit Cannabis-Extrakt zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen wurde und auch in Deutschland grundsätzlich eine Zulassung dieses, aber auch anderer cannabishaltiger Arzneimittel ermöglicht werden soll, ist es zeitnah notwendig, das generelle Verkehrsverbot für Cannabis aufzuheben und Cannabis zu medizinischen Zwecken zuzulassen. So heißt es in der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften der Bundesregierung (Bunderats-Drucksache 130/11). Damit beabsichtigt die Bundesregierung für schwerkranke Patienten eine weitere Therapieoption zu eröffnen, weil cannabishaltige Fertigarzneimittel dann zulassungs- und verschreibungsfähig wären.

Gegenwärtig sind in Deutschland Dronabinol und Nabinol verkehrs- und verschreibungsfähig. Legal ist die Beschaffung zu Therapiezwecken nur auf zwei Wegen möglich: Als Import von Fertigarzneimitteln von Apotheken aus dem Ausland oder als Apothekenrezeptur-Herstellung, jeweils nur für den einzelnen Patienten, sofern eine entsprechende ärztliche Verschreibung vorliegt. Über die Kostenübernahme entscheidet die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten im Einzelfall und prüft ob diese Behandlung im Hinblick auf das Krankheitsbild erforderlich ist. Der medizinische Dienst begutachtet im Auftrag der Krankenkasse solche Anträge.

Eine weitere Möglichkeit eröffnet eine Ausnahmeerlaubnis für schwerkranke Patienten, welche beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt werden kann.

Nach einer von 180 Staaten unterzeichneten Suchtstoffkonvention der Vereinten Nationen, ist Deutschland verpflichtet, Cannabis und andere Suchtstoffe ausschließlich für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu verwenden. Es ist dort ebenfalls geregelt, dass der Besitz, Kauf und Anbau für den persönlichen Gebrauch strafbar ist. Das beinhaltet auch Herstellung, Handel, Einfuhr, Abgabe, Veräußerung etc. und ist nach dem BtMG grundsätzlich strafbar. Somit auch für den schwerkranken Rollstuhlfahrer.

In den USA ist Cannabis auch weiterhin eine illegale Droge. Nach Anhang I des Controlled Substances Act sind das Drogen mit einem hohen Abhängigkeitspotenzial, die in den USA keine allgemein akzeptierte medizinische Anwendung haben. In einigen US-Bundesstaaten ist jedoch der medizinische Gebrauch von Cannabis gesetzlich geregelt. Ebenso in Kanada können schwerkranke Patienten nach einer in 2001 erlassenen Richtlinie Cannabis für medizinisch-therapeutische Zwecke anwenden. Voraussetzung ist hier eine ärztliche Bestätigung. Auch in Kanada ist Cannabis weiterhin eine illegale und gesetzlich kontrollierte Substanz.

Mit dem Vorhaben der Bundesregierung wird meines Erachtens Ihren Bedenken Rechnung getragen. Die angesprochene 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften wird am 30.03.2011 im Gesundheitsausschuss des Bundesrates beraten. Bis die Verordnung im Bundestag beraten wird, kann noch einige Zeit vergehen.

Ich hoffe, dass Sie die Informationen als hilfreich empfinden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Peter Bleser, MdB