Cannabis-Debatte: Mehr Schein als Sein?

In Sachen Cannabis scheiden sich die Geister schon lange. Einerseits ist dies eine Droge wie Alkohol oder Nikotin auch. Andererseits ist sie illegal und deshalb mit starken sozial-politischen Vorbehalten versehen. Klar, dass da die Debatte um dessen Legalisierung ganz besonders hitzig geführt wird. Argumente gibt es jedenfalls auf beiden Seiten zuhauf. Die Frage ist nur, welcher Art die Argumente sind und welche Interessen dahinter stecken.

Zum Beispiel ist der Konsum von Alkohol und Tabak vor dem Hintergrund ihrer gesundheitsschädlichen Konsequenzen, also aus medizinischer Sicht, genauso kritisch zu hinterfragen wie der von Cannabis. Man müsste also sagen: Wenn Alkohol und Tabak mindestens ähnlich schädlich sind wie Cannabis, dann sind auch sie zu verbieten bzw. Cannabis zu legalisieren. Da alkoholische Getränke sowie tabakhaltige Rauchgüter aber eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz, Verankerung und damit Legitimität genießen, dürften wohl jedwede politischen Vorstöße in diese Richtung im Keime erstickt werden, weshalb sie auch schlicht ausbleiben. Lediglich räumliche sowie altersspezifische Beschränkungen wurden hier bislang durchgesetzt. Bevor wir nun allerdings uns ein Urteil zu bilden gedenken, sollten wir einen Blick auf die Faktenlage werfen.

Gemäß den Zahlen des europäischen Drogenberichts 2015 haben rund 23% der Europäer im Alter zwischen 15 und 64 Jahren mindestens ein Mal in ihrem Leben Cannabis probiert. In der Gruppe der 15-34-jährigen haben knapp 12% in den letzten 12 Monaten gekifft. Von allen im Jahre 2013 in Europa sichergestellten illegalen Drogen machte der Anteil von Cannabisprodukten sage und schreibe 77% aus. Der Anteil von Kokain und Crack betrug 10%, der von Amphetaminen und Heroin lag bei jeweils 4%, der von Ecstasy bei 2%, während LSD „lediglich“ auf 0,1% kam. Ein wesentlicher Befund der Studie fiel entsprechend deutlich aus: Cannabis ist die in allen Altersgruppen mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge auf europäischem Territorium und Cannabisdelikte die häufigsten Drogen-Straftaten. Man kann sich entsprechend vorstellen, wie groß der Ressourcenaufwand seitens der einzelnen Staaten sein muss, den sie für die Verfolgung, Beobachtung und Verwaltung cannabiszentrierter Delikte betreiben müssen. Wie wenig effektiv die Maßnahmen bisher sind, zeigen die o.g. Zahlen und es erwächst deshalb die Frage, inwieweit Kosten und Nutzen hier noch als verhältnismäßig gelten können.

Was die justiziablen Verstöße und den Konsum illegaler Drogen betrifft, ist Cannabis also klar vorn. Noch häufiger konsumiert werden aber die legalen Drogen. Diese ziehen auch die größten negativen gesundheitlichen sowie gesellschaftlichen Folgen nach sich. Laut dem jüngsten Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung sterben rund 74.000 Menschen an den direkten wie indirekten Folgen des Alkohols; auch ca. 110.000 Raucher lassen aufgrund ihres Suchtverhaltens jährlich ihr Leben. An den illegalen Drogen starben im Jahre 2014 hingegen 1.032 Menschen. Entgegen der hartnäckig vertretenen Meinung vieler Politiker gibt es keine Studien, die Cannabis per se eine todbringende Wirkung bescheinigen. Bis heute sei kein einziger Todesfall dokumentiert, schreibt zum Beispiel Die Zeit mit Bezug auf die Aussagen von Michael Tsokos, Leiter der Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Falschmeldungen gäbe es dagegen häufig. So handle es sich in Fällen, bei denen eine Kausalität zwischen Cannabis-Konsum und Todesfall hergestellt wird, vielmehr um Fälle von Koinzidenz, was nichts anderes bedeutet, als dass die Todesursache eine ganz andere „Vorgeschichte“ hat und in der Folge auch ohne Cannabisgebrauch eingetreten wäre – das beides zusammentraf, war eben reiner Zufall. Was demgegenüber nicht unterschätzt und verharmlost werden darf, ist die Tatsache, dass das Kiffen – zumindest in Deutschland – immer noch überwiegend in Kombination mit Tabak praktiziert wird. Das ist die eigentliche Gefahr dabei. Mittlerweile greifen deshalb vor allem solche Konsumenten, die Cannabis lediglich aus medizinischen Gründen einnehmen, immer mehr auf Alternativen, wie die sogenannten Vaporizer oder Verdampfer zurück. Hierbei wird das THC durch Wärme aus einem speziell angefertigten THC-Öl gelöst und in Form von Dampf inhaliert. Wie das Ganze aussieht, können Sie beispielsweise hier nachvollziehen.

Dass der Gebrauch von Cannabis insbesondere im Kinder- und Jungendalter zu massiven Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen führen kann, ist erwiesen und darf auch nicht heruntergespielt werden. Allerdings trifft dies mindestens in gleichem Maße, wenn nicht stärker ebenfalls auf Alkohol und Tabak zu. Die logische Konsequenz wäre folglich, entweder beides zu verbieten oder beides zu entkriminalisieren. Deshalb müssen strikte Auflagen und Restriktionen, wie etwa eine Altersbeschränkung, ja noch lange nicht aufgehoben werden. Auf diese Weise würden man enorme Kosten einsparen, ja möglicherweise sogar passable Steuereinnahmen erzielen, einen weitaus besseren Überblick über Verkauf und Konsum haben sowie das Leiden von Schwerkranken reduzieren, wenn man das Cannabis zumindest zu medizinischen Zwecken freigäbe.

Es sind also weniger sachliche, wissenschaftlich fundierte Argumente, die die Debatte um die Legalisierung von Cannabis anführen, sondern vielmehr moralisch-politische. Fragt sich nur, was am Ende weiter reichen wird. Dies wird die Lebenspraxis zeigen.