Macht Hanf, also Cannabis, Lust auf Sex?

Aromastoffe im Essen machen nicht nur Geschmack. Weiter geht die Forschung an diesen Substanzen und es mehren sich die Hinweise, dass sie auch das menschliche Verhalten beeinflussen. So könnte ein Stoff in Hanf das Sexualverlangen anregen. Das ist aber ein wenig rätselhaft, weil das verarbeitende System beim Menschen eigentlich verkümmert sei. So ähnlich schreibt die Welt über Orangensaft.

Darstellung: Kamasutra und Hanf liegen nahe beieinanderAlkohol regt an, bremst aber in größeren Mengen zumindest bei Männern das physische Vermögen. Orangensaft, genauer sein Aromastoff, hat diese Nebenwirkung nicht, sei aber als sexuelles Stimulans möglicherweise ebenso wirksam. Die Sache ist noch nicht ganz klar, denn die Substanz wird über ein System wahrgenommen, das beim Menschen bis zur Funktionslosigkeit verkümmert ist. Das jedenfalls glaubte man bisher. Doch Experimente am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke zeigen, dass der Mensch zumindest noch Erbanlagen für dieses System besitzt. Es geht um Pheromone, chemische Substanzen, die Signale zwischen den Geschlechtern vermitteln und Reaktionen auslösen, indem sie beispielsweise die Partnerwahl steuern. In Bezug auf Menschen liegt hier noch ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld.

Für die Wahrnehmung von Pheromonen verfügen Tiere, außer Vögeln und wenigen anderen Ausnahmen, über das sogenannte Vomeronasalorgan (VNO). Das VNO ist eine Riechschleimhaut, die beim Menschen als winziger Schlauch im unteren Teil der Nasenscheidewand sitzt. Nach vorherrschender Meinung aber ist das Organ so weit degeneriert, dass es beim Menschen keine Funktion mehr erfüllt. Dietmar Krautwurst testete die Funktionsfähigkeit der Rezeptoren und stellte fest, dass sie auf 19 unterschiedliche Substanzen ansprachen: “Nach unseren Ergebnissen sind alle fünf menschlichen Typ-1-Pheromonrezeptoren prinzipiell funktionsfähig. Zudem lassen unsere Daten, und auch die Befunde anderer Arbeitsgruppen vermuten, dass einige der von uns identifizierten Duftstoffe sowohl als Aromastoff als auch als Pheromon wirken können.”

Um zum Thema Cannabis zurückzukommen, veröffentliche ich an dieser Stelle ein Textteil des Dossier “Drogen und Sexualität” von der Sterneck Webseite respektive zu finden in dem Buch “Erotika – Drogen und Sexualität“:

Das Gras der Venus

Seit über 8.000 Jahren wird Cannabis in verschiedenen Kulturen genutzt. Es dient bis in die Gegenwart als Heilmittel für verschiedene Krankheiten beziehungsweise zur Schmerzlinderung, wird als Rohstoff für Textilien oder Papier genutzt sowie nicht zuletzt als Genuss- und Rauschmittel gebraucht. Eine besondere religiöse Bedeutung nimmt Cannabis im Hinduismus und innerhalb der Rastafari-Bewegung ein. Zu einem internationalen Verbot kam es 1925 nachdem der Gebrauch in der westlichen Welt stark zugenommen hatte. Bis heute sehen die VertreterInnen einer restriktiven Position den Gebrauch als Synonym für einen Verfall gesellschaftlicher Werte, wobei vorgebliche negative gesundheitliche und soziale Folgeerscheinungen betont werden. Dem gegenüber steht die Legalize-Bewegung, die darauf verweist, dass beispielsweise in Deutschland rund vier Millionen Menschen regelmäßig Cannabis gebrauchen, ohne unter problematischen Begleiterscheinungen zu leiden.

Apotheker Haschisch, Hanf als Medizin, alte Anzeige aus dem Bund, SchweizAus den getrockneten Blättern und Blüten der Cannabis-Pflanze wird das Marihuana (”Gras”) gewonnen, während aus dem Harz der weiblichen Pflanze das Haschisch hergestellt wird. Beide Zubereitungen enthalten in unterschiedlicher Konzentration als psychoaktiv wirksame Substanz das Tetrahydrocannabinol (THC). Die Cannabisprodukte werden zumeist mit Tabak als Joint oder in Pfeifen geraucht, zum Teil auch gegessen oder als Teemischung getrunken. Die wesentlichen psychischen Erscheinungen liegen in einer entspannenden und beruhigenden Wirkung in Verbindung mit leichter Euphorie und oftmals Heiterkeit. Zumeist werden die Sinneseindrücke verstärkt, zudem verändern sich die Wahrnehmungen von Farben und Klängen wie auch das Zeitempfinden. “Ich liebe es einfach mit Freunden abzuhängen und zu kiffen. Wir sind dann immer relaxed und witzig drauf. Alltägliche Sachen sind plötzlich völlig abgefahren und wir denken irgendwie um die Ecke. Nur wenn ich zuviel geraucht habe, dann hänge ich mit einem breiten Grinsen nur noch ab und bin zu nichts mehr in der Lage.”(14) Unterschätzt werden oftmals die möglichen psychedelischen Wirkungen, welche die Wahrnehmung verändern und im ungünstigen Fall auch Ängste oder gar psychotische Zustände mit auslösen können. Problematisch ist zudem insbesondere ein hoch frequenter Cannabiskonsum während der Pubertät, der sich einschränkend auf die Lern- und Erinnerungsfähigkeiten auswirkt.

Im Wechselspiel von Grundgefühl, Umgebung und Dosierung kann die Steigerung der sinnlichen Empfindungen durch Cannabis auch zu einer Intensivierung sexueller Empfindungen führen. Zumindest unterschwellig tritt ein verändertes Körpergefühl auf, das es ermöglicht, Berührungen feinfühliger wahrzunehmen und sich auf die eigene Lust einzulassen. Hinzu kommt vielfach eine die Fantasie anregende Wirkung und ein verändertes Zeitgefühl, welches in der subjektiven Wahrnehmung insbesondere Momente des Genusses verlängern kann. “Wenn wir etwas zusammen rauchten und intim wurden, dann war es so, als ob unsere Grenzen dahin schmelzen würden. Anfangs machte es uns etwas Angst, aber dann genossen wir es. Auch wenn mein Orgasmus ein wenig stärker war, nahm mein Bedürfnis zu kommen eher ab. Ich wollte noch lange in diesem Gefühl bleiben und einfach seine Hände und Lippen auf meiner Haut genießen. Wenn ich die Augen schloss, war es nicht schwarz, sondern ich sah lauter farbenfrohe Lichter.”(15)

Ein wesentlicher Aspekt ist die körperliche und psychische Lockerung. Cannabis erleichtert dem KonsumentInnen, ablenkende Gedanken auszublenden und sich auf die Erfahrung des Augenblicks einzulassen. Ein Grundgefühl kann sich entfalten, welches gleichzeitig von einem Gefühl der Entspannung wie auch der erhöhten Konzentration getragen ist. Cannabis ist in diesem Sinne eine öffnende und anregende Substanz, aber kein Aphrodisiakum im engeren Sinne, das zu einer direkten Erregung führt. “Wer nur wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegt und einen Erektionsmechanismus erwartet, könnte enttäuscht werden. Die Liaison von Hanf und Lust wirkt sich primär nicht ’zwischen den Beinen’ aus, sondern dort, wo alle sinnlichen und auch die sexuellen Wahrnehmungen eigentlich stattfinden: in unserem Bewusstsein.”(16)

Wie bei allen psychedelisch wirkenden Substanzen kann Cannabis jedoch nicht nur angenehme Empfindungen intensivieren, sondern auch problematische Emotionen wie Druckgefühle oder beklemmende Erinnerungen an frühere sexuelle Erfahrungen verstärken. Zudem spielt der Aspekt der Kontrolle in einer vom Verstand bestimmten Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Ein Person kann ihre Schwierigkeiten sich fallen zu lassen mit Hilfe von Cannabis überwinden, unter Umständen können sich bestehende Blockaden und Ängste aber weiter verstärken.

Joint vor dem zudrehen
Geradezu klassisch ist die immer wieder auftauchende Diskussion der Frage, ob der Gebrauch von Cannabis im sexuellen Kontext die entsprechenden Gefühle im Innern in besonderer Weise freisetzt oder sie von Außen künstlich erzeugt und diese damit ihrer Authentizität beraubt. In seinem Film “Der Stadtneurotiker” bringt Woody Allen die Problematik zwischen den beiden Hauptpersonen ironisch auf den Punkt. Während Annie gerne vor dem Sex einen Joint raucht, um sich in gelöstere Stimmung zu bringen, verweist der eher kopflastige Alvy darauf, dass man sich durch Drogen nicht näher kommt, sondern entfernt. Er könne sich als Komiker auch nicht darüber freuen, wenn jemand, der high ist, über seine Witze lacht, da derjenige sowieso ständig lachen würde. Im Verlauf der Diskussion verliert Annie ihre Lust, woran sich auch nichts ändert als Alvy mit gutem Willen, aber letztlich völlig unbeholfen, versucht wieder eine erotische Atmosphäre aufzubauen. Völlig klischeehaft hängt er dabei ein rotes Tuch über die Nachttischlampe. Die Frage nach der Künstlichkeit von Situationen wird dadurch mit einem Augenzwinkern noch einmal auf die Spitze getrieben.

Insbesondere in Indien und Persien lassen sich zahlreiche historisch Bezüge hinsichtlich des anregenden Gebrauchs von Cannabis nachweisen. In der traditionellen ayurvedischen Medizin wie in den Liebeslehren des Tantrismus wird Cannabis ausdrücklich als Aphrodisiakum aufgeführt, und auch in den “Geschichten aus tausendundeiner Nacht” wird von den stimulierenden Wirkungen auf Fantasie und Sexualität gesprochen. Die heutige Gesetzgebung im Iran, die zum Teil schon geringe Verstöße gegen die Drogengesetze mit drakonischen Strafen belegt und sexuelle Kontakt außerhalb der Ehe kriminalisiert, zeigt drastisch wie sehr der Umgang mit Drogen und Sexualität immer wieder fundamentalen Wandlungen unterworfen ist. Der weiterhin stattfindende Gebrauch illegalisierter Substanzen verdeutlicht zugleich, wie wenig sich die Grundbedürfnisse nach rauschhaften und ekstatischen Erfahrungen unterdrücken lassen.

Im Westen prallen beim Thema Cannabis seit Jahrzehnten gegensätzliche Positionen aufeinander. Gerade in den sechziger Jahren entsprach die Verbindung von Drogengebrauch und Sexualität der Verknüpfung von zwei mit zahlreichen Tabus belegten Themen, auf welche große Teile der bürgerlichen Öffentlichkeit mit Bestürzung reagierte. Die sensationslüsterne Berichterstattung in den Massenmedien und auflagenstarke Trivialromane, die auf ihren Covern spärlich bekleidete junge Hippie-Frauen im Zusammenhang mit Drogen abbildeten, verdeutlichten eine Doppelmoral, die weite Teile der Gesellschaft bis heute durchzieht. Einen wichtigen Beitrag zur Analyse der Alternativkultur leistete eine Forschungsarbeit von Barbara Lewis, die 1970 unter dem Titel “The Sexual Power of Marijuana” erschien. Lewis hatte rund 200 Personen hinsichtlich ihrer Erfahrungen befragt und in der überwiegenden Zahl positive bis überschwängliche Antworten erhalten. Dabei konzentrierte sie sich ausdrücklich nicht auf Personen aus den Protestbewegungen, sondern bezog sich auf ein breites Spektrum von Personen aus der etablierten Mittelschicht. Auch wenn viele Aussagen und Analysen aus heutiger Sicht zu undifferenziert erscheinen, so bleibt die bis in die Gegenwart von vergleichbaren Untersuchungen gestützte Grundaussage bestehen, dass der Gebrauch von Cannabis das sexuelle Empfinden nachhaltig bereichern kann.

Hanf-Blatt CC Foto von Concentrated PassionInnerhalb der Hippie-Kultur fand die enge Verbindung von Drogen und Sexualität zeitweise auch organisatorisch in der Kerista Consciousness Church und der Psychedelic Venus Church einen Ausdruck. Die Zusammenschlüsse traten öffentlich gleichermaßen für die freie Liebe wie für den Gebrauch psychedelischer Substanzen ein und veranstalteten für ihre Mitglieder sexuelle Zusammenkünfte mit spirituell-rituellem Charakter. “Die Anwesenden stellen sich in einem Kreis auf, halten sich an den Händen und chanten Om. Danach beginnt eine Zeremonie, bei der alle von den Genitalien einer Frau und eines Mannes warmen Honig lecken. Cannabis wird dabei gesegnet und geraucht. Anschließend werden einige Körperübungen angeleitet, die zu einer weiter erhöhten Sensibilität führen. Dies geht über in gemeinsames Tanzen, dann in Ficken, Lecken, Blasen und Unterhaltungen.”(17)

Jane Gallion erzählt in ihrem Roman “Stoned” von einer Frau, die ihren auf Ehe und Haushalt ausgerichteten Lebensentwurf zunehmend als Gefängnis begreift und daraus ausbricht. Es ist die Erfahrung des Kiffens und einer damit verbundenen Sexualität, die das Gerüst der bisherigen Weltsicht zum Einsturz bringt und verdrängte Sehnsüchte offenbart. Erstmals 1969 erschienen gilt das Buch heute im angloamerikanischen Raum als ein wichtiger literarischer Bezugspunkt der frühen Frauenbewegung. “In der Dunkelheit des Schlafzimmers öffnete Elaine vorsichtig ihre Augen. Es war früh am Morgen. Irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, wie viel sie geraucht hatten. Ein Joint nach dem anderen. Doch sie fühlte sich in Ordnung. Eigentlich ging es ihr sogar richtig gut! Sie blickte auf die Uhr. Zehn nach sieben. Zehn nach Sieben? Randy muss los … Sie schreckte auf – und lehnte sich dann doch wieder zurück.”(18)

Rund fünfundzwanzig Jahre später stellen sich der weiblichen Hauptfigur des postfeministischen Romans “Baise-moi – Fick mich” von Virgine Despentes vergleichbare Fragen nach dem eigenen Selbstverständnis nicht mehr. Als Protagonistin eines Rollenbildes, das zumindest einen Teil der jüngeren Generationen prägt, befriedigt sie sich selbst, während sie mit Hilfe eines Joints entspannt und sich dabei von einem Pornofilm anregen lässt. Fernab von übergeordneten moralisierenden Bewertungen macht sie aus ihrem momentanen Lebensgefühl heraus das, worauf sie gerade Lust verspürt und verweigert sich dabei vorgegebenen Rollenzuweisungen: “Sie zündet den Joint an, bemüht sich, den Rauch so lange wie möglich zu inhalieren, dreht die Musikanlage voll auf und stellt den Videorecorder ohne Ton an. Sie spürt die Distanz zwischen sich und der plötzlich friedlich gewordenen Welt, nichts bringt sie aus der Ruhe und über alles könnte sie lachen. Sie lässt sich ganz tief in den Sessel sinken, zieht die Hose aus und streichelt über den Slip. Sie betrachtet ihre Hand, die zwischen den Schenkeln gleichmäßig kreist, beschleunigt die Bewegung und spannt das Becken an. Sie wendet den Blick wieder zum Bildschirm. Das über das Treppengeländer gebeugte Mädchen bewegt den Kopf hin und her, hebt den Hintern, will das Geschlecht des Mannes endlich verschlingen.”(19)

Aus einer vergleichbaren Grundhaltung heraus formulierte Jolayne Marsh ein Flugblatt, das den Drogengebrauch und das sexuelle Selbstverständnis von jungen Frauen thematisiert. Auch hier geht es nicht mehr defensiv um eine Auseinandersetzung aus Sicht des Opfers oder um behütende Warnhinweise hinsichtlich des Gebrauchs von Drogen. Marsh verweist vielmehr aus einer selbstbewussten Position der Stärke auf die Möglichkeit, sich eigenständig für einen Weg zu entscheiden, der den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht, ohne dabei den Aspekt der Verantwortung gegenüber sich selbst und anderen zu vernachlässigen. “Ich gehe raus in die Welt. Ich will Spaß haben. Ich will meinen Weg gehen. Ich will leben. – Überall treffe ich dabei Leute. Manche Orte und manche Leute sind offener für Sex als andere. Und manchmal passt es. Und ich bin darauf vorbereitet: Ich habe Kondome und Gleitcreme bei mir – und ich benutze sie! (…) Es ist in vielen Situationen sehr hilfreich, wenn man nicht völlig in kalte Wasser geworfen wird, sondern schon eine Ahnung davon hat, was passieren könnte und wie man darauf reagieren will. Gerade dann, wenn Drogen und Sex sich vereinen. Nur wenn wir innerlich stark sind, dann können wir auch selbst entscheiden. Ansonsten ist die Gefahr zu groß, dass wir zum Spielball der Bedürfnisse anderer werden oder die Drogen uns benutzen anstatt umgekehrt. Wir können selbst bestimmen, wie wir mit unseren Grenzen umgehen, du kannst sie verfestigen, neu setzen, aufbrechen oder auch erweitern. Du kannst dies aber nur, wenn du dir darüber im Klaren bist. Es liegt an dir …”(20)

Fussnoten:

  • (14) Aussage eines Cannabis-Gebrauchers im Gespräch mit dem Autor.
  • (15) Aussage einer Cannabis-Gebraucherin im Gespräch mit dem Autor.
  • (16) Claudia Müller-Ebeling / Hanf und Lust. Breisach, 2001.
  • (17) Psychedelic Venus Church / Psychedelische Sex Mantras. Berkeley, 1969.
  • (18) Jane Gallion / Stoned. Hollywood, 1969.
  • (19) Virginie Despentes/ Baise-moi – Fick mich. Reinbeck bei Hamburg, 1998.
  • (20) Jolayne Marsh / Es liegt an Dir. Los Angeles, 2000.

Quelle: Sterneck.net: Drogen und Sexualität und THC Ministry Amsterdam.

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