Gibt es bald Coffeeshops in Kopenhagen?

Über das russischsprachige Portal der Cannabis Legalize League ist ein junger und bewegter Mensch auf folgende Neuigkeit gestoßen:

Laut einer Pressemitteilung plant Kopenhagen die Entkriminalisierung von Hanf in einem Coffeeshop-Modell, auch von staatlichen Plantagen zu deren Versorgung ist die Rede – damit wäre sogar das niederländische „Back Door Problem“ bereits im Vorfeld gelöst.

Update 2012: Der Senat von Kopenhagen hat einer Regelung zugestimmt, die Coffeeshops und den staatlich kontrollierten Anbau von Cannabis ermöglichen sollen. Weiteres dazu auch bei den HCLU Drugreporters, die mit einem Video darüber informieren: Legal Regulation of Cannabis in Copenhagen.

Inspirierend hierfür hat anscheinend einerseits der bewaffnete Kampf um den Schwarzmarkt einiger Kopenhagener Gangs gewirkt, andererseits gute Erfahrungen mit offenem Haschisch-Handel in der Freistadt Christiania [deren Räumung am 26.05. gerichtlich zugestimmt wurde, by the way. ->light‘n’solidarity, fight for your space!]

Ist ja nicht so, als ob beide Phänomene neu und in der Prohibitionsgeschichte einmalig wären – aber wenn’s notwendig ist, dass jeder Karren separat durch’s Schlagloch kracht, bitte schön, immerhin scheint ja fürs Erste, als würde die Vernunft einen weiteren kleinen Angriff auf die europäische Drogenpolitik starten – möge er gelingen!

Gut gestutzt habe ich beim Recherchieren zur freudigen Nachricht auf Englisch oder Deutsch – über zero weiterführende Treffer. Auch etwas Übersetzungstool-Dänisch half wenig auf der Suche nach einer offiziell amtlichen oder zumindest aus erster Hand berichtenden, verlinkbaren Quelle.

Auf Russisch wurde ich dann doch fündig – klar, irgendwo informieren sich auch die Kollegen von legaliz.
Von Radio Svoboda stammte also diese bislang einzige von mir gefundene offizielle Pressemitteilung, an deren Verbreitung sich auch etliche redaktionell geführte russischsprachige Onlineportale bereits mitgewirkt haben….ansonsten müssen wir uns wohl etwas gedulden, bis sich die Meldung hoffentlich bewahrheitet und mehr handfeste Infos zur neuen Kopenhagener Coffeeshop-Kette ins Netz dringen.

Hier eine Übersetzung ins Deutsche – Orignal bei Svoboda (RU):

Cannabis vom Bürgermeister

Die Regierung der Stadt Kopenhagen beabsichtigen die Eröffnung von Cafes, in denen – ähnlich wie in Amsterdam – weiche Drogen legal erhältlich sein werden. Dies wurde von „Radio Svoboda“ vermeldet. Die Administration der Stadt ließ verlautbaren, dass diese Maßnahme den Kampf gegen den organisierten Drogenhandel signifikant vereinfachen würde.

Seit Jahresbeginn wurden in der dänischen Hauptstadt auffällig viele Schießereien und Messerstechereien, auch in der Öffentlichkeit, registriert. Den Informationen der Polizei Kopenhagens zufolge ist die Ursache der ansteigenden Straßengewalt der sich sich verschärfende Kampf der ortsansässigen Banden um die Vormachtstellung auf dem illegalen Drogenmarkt. Hinzu kommt, dass vor etwas mehr als einem Monat das dänische Gericht der Räumung der weltweit bekannten libertären „Freistadt Christiania“ zugestimmt hat – eines Ortes, an dem in der Pusher Street seit Jahrzehnten Haschisch mehr oder weniger frei ehrhältlich war, und das ohne ernstzunehmende Komplikationen zu verursachen.

Anhand der sich zuspitzenden Lage sah sich Kopenhagens Minister für soziale Fragen, Mikkel Barming, gezwungen, mit dem Vorschlag für die Einrichtung von Coffeeshops in der dänischen Hauptstadt vorzustoßen. Laut Barming könnte auf staatlichen Plantagen gezüchtetes Cannabis den Kampf gegen den illegalen Drogenhandel vereinfachen. Die radikale Anregung der Stadtverwaltung Kopenhagens wird auch von anderen dänischen Politikern unterstützt.

„Die Legalisierung des Handels weicher Drogen in einem städtischen Coffeeshop-Modell hat entscheidende Vorteile. Ich denke nicht, die schädlichen Auswirkungen von Cannabis auf die Gesundheit gewichtiger sind als der Schaden durch die zunehmenden Verbrechen, die in Zusammenhang mit dem Cannabisverbot stehen. Die aktuelle Situation erinnert mich an die Zeiten des „trockenen Gesetzes“ [gemeint ist die Alkoholprohibition, Anm. d. Üb.] der Dreißiger Jahre in den Vereinigten Staaten. Deswegen trete ich persönlich für die Freigabe des Handels mit dieser Droge ein“ – so das Statement von Lars Dueholm, einem Mitglied der Liberalen Partei Dänemarks.

Nichts desto trotz provozierte der Kopenhagener Vorschlag heftige Kritik von Seiten der konservativen und nationalistischen Kräfte. „Mikkel Barming versucht, mit den Schwachpunkten der sozial benachteiligten Mitglieder der dänischen Gesellschaft zu spielen. Wer einen schwachen Geist besitzt und in berauschenden Substanzen die Flucht vor der Wirklichkeit sucht, wird einer solchen Versuchung nicht widerstehen. Dies werden die ersten Opfer sein. Wir werden diese Menschen zweifellos ein für allemal verlieren“, sprach ein Mitglied der Konservativen Partei Dänemarks, Moens Lenborg.

In buchstäblich diesen Tagen hat eine Kommission der Stadtregierung ihre Studie bezüglich der weltweiten Erfahrungswerte beim legalen Handel von Hanf und seinen Produkten beendet.

Zum Beispiel zeigt die Praxis in den Niederlanden, wo der Coffeeshop-Betrieb einer steten Überprüfung durch die Behörden unterliegt, auf, dass die Entkriminalisierung der Handels mit Hanf kaum Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate hat. Ein anderes Ergebnis aus dieser Untersuchung ist jedoch allerdings die Tatsache, dass der entkriminalisierte Cannabismarkt zu keinem Anstieg der Konsumentenzahlen weicher Drogen führt.

In der nächsten Zeit wird sich die Regierung der Stadt Kopenhagen mit der näheren Betrachtung des Vorschlages beschäftigen, ein Coffeeshop-Netz zu installieren – auch als eine Art soziales Experiment.

Sergej Djanan, Kopenhagen
16.06.2009 14:24

via frei-bewegt